Das Online-Programm nach DDR-Heimerfahrungen wird durch eine Studie wissenschaftlich begleitet.
Wer führt die Studie durch?
Das Online-Programm und die Studie werden an der Medical School Berlin unter der Leitung von Frau Professor Dr. Birgit Wagner durchgeführt. Durch die Studie wird das Programm wissenschaftlich ausgewertet.
Die Studie ist Teil des Forschungsverbundes TESTIMONY - Erfahrungen in DDR-Kinderheimen. Bewältigung und Aufarbeitung , der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.

Ziele der Studie
Die begleitende Studie soll herausfinden, wie wirksam das Programm ist. Dabei wird untersucht, welchen Nutzen die Teilnehmenden aus ihrer Teilnahme ziehen konnten. Deshalb werden wir Sie zum Beispiel zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Symptomen psychischer Belastung fragen, aber auch nach Ihrem Umgang mit Ihren Erfahrungen und Ihrem Eindruck vom Schreibprogramm.
Wie funktioniert therapeutisches Schreiben?
Das Online-Programm ist an das Prinzip des therapeutischen Schreibens angelehnt. Seit fast zehn Jahren werden zahlreiche Studien durchgeführt, welche die Wirksamkeit von internetbasierten Schreibtherapien nach unterschiedlichen Belastungen untersuchen. Dabei erhalten die Teilnehmenden Schreibaufgaben, die sie bearbeiten und danach Rückmeldung von einer Psychologin oder einem Psychologen erhalten. Das Schreiben über schwierige und traumatische Lebensereignisse ist inzwischen eine wichtige Methode der Psychotherapie geworden. Es kann Struktur geben und die Verarbeitung von Belastungen und traumatischen Erlebnissen fördern.
Wissenschaftlicher Hintergrund
Mit der zunehmenden Verbreitung von Online-Therapien und -Beratungen wurden in den vergangenen Jahren auch Online-Schreibprogramme für einen Lebensrückblick entwickelt und evaluiert. Sie bauen auf dem Prinzip des strukturierten Schreibens auf. Die Entwicklung von internetbasierten Programmen zur Bewältigung von belastenden Lebensereignissen und Traumatisierungen basierte auf den Ergebnissen einer niederländischen Arbeitsgruppe, die die Verbesserung des Wohlbefindens und eine Reduktion von Belastungssymptomen für Teilnehmende ihres Programms nachweisen konnten. Auch in Deutschland wurden bisher einige therapeutische Online-Programme durchgeführt und evaluiert. Inzwischen liegen eine Reihe von wissenschaftlichen Ergebnissen vor, die die Wirksamkeit solcher Programme nach belastenden Lebensereignissen bestätigen. Zum Beispiel wurden Programme für Personen mit traumatischen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg, Paare, die ein Kind in der Schwangerschaft verloren hatten und Personen, die ein Familienmitglied durch Suizid verloren hatten, angeboten und positiv evaluiert.
Was bedeutet „TESTIMONY“?
Testimony (englisch für „Zeugnis“, „Bezeugung“, oder auch „Aussage“) wurde als Titel für den Forschungsverbund gewählt, da die Stimmen der Betroffenen im Mittelpunkt des Projektes stehen sollen. In unserem Online-Programm geht es um die Erfahrungen von Personen, die in DDR-Kinderheimen oder Jugendwerkhöfen untergebracht waren. Ihren Lebensgeschichten wird dabei besonderer Wert beigemessen. Sie verdienen es, gehört zu werden.
In der Geschichte gibt es noch einen weiteren Bezug zur so genannten Testimony- oder Testimonial Therapie. Sie wurde schon in den 70er Jahren in Chile verwendet, um Überlebende der Militärdiktatur zu unterstützen. Die Therapie besteht aus mehreren Sitzungen, in denen der oder die Betroffene Erlebnisse politischer Gewalt berichtet, aber auch aus seinem oder ihrem Leben, vor und nach diesen Erlebnissen. Aus einer Testimony-Therapie entsteht ein schriftliches Dokument der Lebensgeschichte der Teilnehmenden, das sie in ihrem privaten Umfeld (zum Beispiel zur Weitergabe an ihre Familienmitglieder) oder zur Aufarbeitung an die Öffentlichkeit (zum Beispiel an ein Archiv oder im Rahmen einer Lesung) geben können. So steht bei der Testimony-Therapie neben der individuellen Bewältigung auch die gesellschaftliche Aufarbeitung im Fokus.
Auch im Rahmen unseres Programms können Sie entscheiden, was mit den entstandenen Texten geschehen soll. Wir finden es wichtig, dass mehr Informationen über Erfahrungen in DDR-Heimen und Jugendwerkhöfen an die Öffentlichkeit gelangen.
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